A Dog‘s Life, Los Angeles Times, April 28, 1918
UMZINGELT 1/3
Das Studio – Büro, Sekretariat und Stargarderoben
im englischen Landhausstil, die Alltagsrealität
hinter dem Sunset Boulevard als Potemkinsches
Dorf. Welcome to the Chaplin Studio! 1918
nimmt er die Anlage in Betrieb.
Fritz Hirzel, Chaplins Schatten.
Bericht einer Spurensicherung. Zürich 1982
Zunächst machte Chaplin sich daran, sich sein eigenes
Studio bauen zu lassen, wozu er in der Gegend von Hollywood
zwei Hektaren Land erworben hatte.
Zu diesem Grundstück, das sich an der Ecke zwischen
Sunset Boulevard und La Brea Avenue befand, gehörte nicht
nur eine weisse, zweistöckige Zehn-Zimmer-Villa im
Kolonialstil, sondern ebenso ein Baumgarten mit Zitronen,
Orangen und Pfirsichen.
Eine komplette Anlage mit Entwicklungslabor, Schneideräumen
und Büros wollte Chaplin hier errichten lassen.
Endlich war es dann soweit.
Das Studio, an der La Brea Avenue mit einer Reihe niederer
Gebäude im englischen Landhausstil kaschiert, war
bezugsbereit. Wohnhaus und Tennisplatz schlossen das Areal,
das südwärts bis zur De Longpre Avenue reichte,
zum Sunset Boulevard hin ab. Stellen wir uns die kleine
Extravaganz einmal vor:
Büro, Sekretariat und Stargarderoben in englischem
Landhausstil, die Alltagsrealität hinter dem Sunset Boulevard
als Potemkinsches Dorf, ein Studioeingang als
Fassadenwelt, wie könnte es bei Chaplin anders sein!
Vergessen wir nicht die mit dem Geruch von Pfefferbäumen
und Orangenblüten erfüllte, immer noch recht ländliche,
damals noch nicht durch endlose Reihen von Bungalows
zersiedelte, zum Suburb gemachte Umgebung in Hollywood.
Auf deren grossflächigen Parzellen begannen die
Mogule des Filmgeschäfts mit dem Kulissenzauber eilig erbauter Studioarchitektur ihre Produktionsfabriken als exotische
Trauminseln zu tarnen.
Für Chaplin also: englischer Landhausstil, exotisch
anmutende Referenz an die Herkunft.
Chaplin trifft im Studio ein
Sein Arbeitsalltag blieb, nachdem er den Rhythmus seiner
Produktion einmal gedrosselt hatte, stets ungefähr
derselbe – unregelmässig, nicht ohne Starallüren, bald durch Abwesenheit glänzend, bald bis zur Erschöpfung
sich verausgabend.
Carlyle R. Robinson, der eben eingestellte Presseagent,
lernte Chaplin nicht ohne sich zu wundern kennen: für ihn war
sein Chef vom ersten Tag an ein Mann, der es vorzog,
von seinen Mitarbeitern im Studio „Charlie“ genannt zu werden,
auf keinen Fall „Mister“.
Ein Mann auch, der eindeutige Vorlieben hatte, dazu nicht
weniger strikte Abneigungen, die sich etwa darin
äusserten, dass er Presseleute nicht mochte und nicht die
geringste Lust hatte, durch „alte Freunde“ belästigt
zu werden.
Als Robinson, der zunächst vergeblich nach Chaplin
Ausschau gehalten hatte, eines Morgens von einer Besprechung
in sein Büro zurückkehrte, hörte er über das Studiogelände
eine Stimme schreien: „He‘s here! He‘s here!“
Und jeder in Sichtweite, gleichgültig, ob es sich um
Schauspieler, Ausstatter oder Elektriker handelte, hielt mit
seiner Arbeit kurz inne, was immer er gerade
angefangen hatte.
Dann trat Chaplin durch den Eingang, höchst erfreut über
das ganze Tamtam, das Robinson so lächerlich
vorkam, dass er sich wunderte, warum keine Salutschüsse
abgefeuert wurde.
Und doch, der groteske Auftritt schien sich
regelmässig zu wiederholen, wann immer Chaplin sein
Studio betrat.
Rollie Totheroh, dem Kameramann, fiel es zu, der
versammelten Equipe die Ankunft des grossen Zampano
zu verkünden: „Er ist hier! Er ist hier!“
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