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The Great Dictator Clippings 363/369
AP, Wiener Kurier, Wien, Österreich, August 28, 1946.
DER GROSSE DIKTATOR
(...) Mein Film, Wien, Heft 5, 1945
& Nebenbei
Der „Diktator“ – von der
Wirklichkeit übertroffen
Während die Bewohner des Dritten Reiches in geistiger
Nacht lebten, und die hohen Wälle einer absoluten
Zensur von ihnen die Wahrheit sowie alle künstlerischen
Ausstrahlungen der Außenwelt fernhielten, wurde
in allen fünf Kontinenten Charlie Chaplins Film „Diktator“
mit großem Erfolg gegeben.
(...) Weltpresse, Wien, Aug. 8, 1945
& Berlin erhält größtes Freilichtkino
der Welt
Berlin, 19. Mai. (WP.)
Mit einem Fassungsraum für insgesamt 22.000 Personen
wird am 10. Juni das größte Freilichtkino der Welt
in Berlin eröffnet. Die Leinwand der „West-Berliner Waldbühne“
wird 12 x 18 Meter groß sein. Für die Spielzeit 1950
sind zunächst vier Spitzenfilme vorgesehen, unter denen sich
der Charlie-Chaplin-Dilm „Der Diktator“ befinden wird.
(...) Weltpresse, Wien, May 19, 1950
WP, Weltpresse.
„Jeder Zuschauer erhielt einen Fragebogen“
Editorial content.
Kronen Lichtspiele, Rheinstrasse 65, Berlin-Friedenau.
Redaktioneller Inhalt
Noch zu früh...
Chaplin-Film in Berlin
Chaplins Der große Diktator wurde kürzlich
probeweise in Berlin einem deutschen Publikum vorgeführt.
Der Film fand aber eine ungünstige Aufnahme.
Die Kritik ging dahin, daß der Naziterror den Deutschen
noch zu frisch in Erinnerung sei, um satirisch
behandelt zu werden. Es würde unklug sein, den Film bereits
jetzt für eine allgemeine Vorführung in Deutschland
freizugeben.
Der Aufführung wohnten etwa 400 Berliner bei. Einige
davon hatten besondere Einladungen erhalten,
die anderen waren in dem Glauben gekommen, den
programmgemäß angesetzten Film Fräulein
Kitty zu sehen.
Die sichtbare Reaktion der Zuhörer auf den Film war
zurückhaltend. Den größten Lacherfolg erntete
Jack Oakie mit seiner Charakterisierung Mussolinis. Jeder
Zuschauer erhielt einen Fragebogen, auf welchem
er seine Meinung über den Film und dessen eventuelle Freigabe
für die öffentliche Vorführung zum Ausdruck bringen
sollte. Im allgemeinen waren die Antworten auf die in diesem
Fragebogen gestellten Fragen unvollständig. Es wurde
jedoch erklärt, daß die allgemeine Meinung gegen eine Freigabe
des Films sei, ,da es dafür noch zu früh wäre‘.
In diesem Sinne äußerte sich auch der einzige
Zeitungskritiker, welcher zu dem Film Stellung nahm. Im
,Tagesspiegel‘ führte der Kritiker aus, daß man sich
wohl bei manchen Szenen nicht habe des Lachens enthalten
können, daß aber im allgemeinen die Ereignisse
der Nazizeit ,eine zu ernste Angelegenheit seien, um die
Deutschen zum Lachen zu bringen‘. Besonders
kritisierte er den Versuch, sich über die Konzentrationslager
lustig zu machen. (AP.)“
AP, Associated Press.
Erst 1958 kommt „Der große Diktator“ in die westdeutschen
Kinos, in der DDR wird er erstmals 1980 im Fernsehen
aufgeführt.
Friedrich Luft, Tagesspiegel, Berlin, 10. August 1946:
„Der Diktator“ – probeweise. Zu Charlie Chaplins
letztem Film
Hitler-Komödie?
Eine Premiere mit Friedrich Luft
Auf diesen Film war man gespannt, wie selten auf
einen. Eine Kopie davon befindet sich zufällig
in Berlin. Man hat ihn einem besonders geladenen
Publikum probeweise gezeigt und hat die
Anwesenden schließlich gebeten, ihre Meinung dazu
auf einem Fragebogen zu notieren. Vierhundert
Menschen ist vor der Leinwand ein Wunsch erfüllt worden.
Soll er auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht
werden? Das wollte man wissen. Es wird viele gegeben
haben, die eindeutig „nein“ darauf geantwortet
haben. Warum? (...)
Schon bei der Hitlerparodie wird das Lachen gedämpfter.
Uns ist noch das Vorbild zu nah. Auch das war
simpel auf seine Art. Aber anders. Aber so, dass die
Folgen noch unser Leben vergiften auf Jahrzehnte
hinaus. Und da sind wir nicht überempfindlich, wenn wir dies
Zerrbild eines Diktators (falls daran noch etwas
zu zerren war) nicht ganz unempfindlich erblicken. Chaplin
hat dem „Anderen“ das meiste nur abgeguckt.
Nur noch eine kleine Drehung – und er hat seine Wirkung.
Die Groteske ist leicht. Eine Art Göring ist da,
glitzernd von Orden, kriechend im goldenen Staube.
Die ganze Folie der Herrschenden war nur zu
übernehmen, wie sie da war – und die Satire war gedreht.
Der komische Zweikampf der diktatorischen
Übermenschen, sich den Rang und Beifall der Massen
missgönnend. Die Leichtigkeit, mit der der eben
noch geschändete Doppelgänger des Diktators wider Willen
in den klirrenden Rahmen der Macht geschoben wird –
gelächterwürdig ist alles. Man weiß es. Aber noch vermag
man den Spaß nicht als Spaß zu nehmen. Gebranntes
Kind – und dies ist ein nachträgliches Spiel mit dem Feuer.
Eindeutig unerträglich wird es uns aber, wenn das
Konzentrationslager die Szene des Witzes wird. Hier kam
kein Lachen aus dem deutschen Publikum, auch dort
nicht, wo Komik gemeint war.
Gegen das Groteske gestellt, Szenen von schwer erträglicher
Realistik unter den Verfolgten. Das, nur durch harten
Schnitt mit der wirr-komischen Welt des Diktators verbunden,
ließ uns erschrecken. Da revoltiert die eigene
Anschauung aus kaum vergangenen Jahren. Hier stellt sich
Peinlichkeit ein. Sie beherrscht auch den Schluss des
Films, wenn der wirkliche Chaplin mit gewiss warmen Worten
diese Welt wieder einrenkt und das über-optimistische
Happy-End der Weltgeschichte sich einstellt. Ach, so leicht
und so rührend wäre es an keiner Stelle unserer
zwölfjährigen Erfahrung gewesen. Dieses Ende verstimmt
uns.
Uns – wohlgemerkt. Ohne Zweifel kann man von ferne über
Chaplins Versuch an der Zeitgeschichte herzhafter
lachen. Uns ist der originale Spaß zu teuer gekommen,
als dass wir jetzt schon die Satire davon heiteren
Auges sehen könnten. Darum zeige man uns diesen Film
jetzt nicht. Vielleicht später. Sehr viel später.
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