New Yorker, March 7, 1931 – City Lights Clippings
CITY LIGHTS 1/3
Nebeneinander – Grossstadt. Wo arm und reich nebeneinander leben, ohne sich zu berühren. Chaplin
ist auf Anhieb gelungen, was Brecht im
Kreidekreis oder beim Puntila vergeblich versucht
hat: aus der Kunst herauszukommen. Clippings
Fritz Hirzel, Notizen, undatiert
Chaplin ist auf Anhieb gelungen, was Brecht im
Kreidekreis oder beim Puntila vergeblich versucht hat:
aus der Kunst herauszukommen.
City Lights, 1930. Lichter der Grossstadt, Illumination, Illusion,
wie eng beisammen ist das hier. Grossstadt, dort,
wo arm und reich nebeneinander leben, ohne sich zu berühren.
Das Boxen wieder – als Paradenummer, aber diesmal
ohne Hund, der Charlie doch zuletzt noch rettet.
Das blinde Mädchen, die grosse Liebe, die Charlie an der
Strassenecke findet. Sie bringt ihn dazu zu arbeiten,
die Frau erneut, wie dann später auch in Modern Times. Sie ist aber
auch die leicht Täuschbare: der Mensch, der nicht sehen kann.
Blindheit als Kinothema.
Sentimental, romantisch. Äusserst spärlicher Gebrauch
des Tons. Ein Grammophon wird angestellt, aber das Orchester
fidelt ruhig darüber hinweg. Man hört ihn nicht,
man sieht ihn nur.
Warnung: Vertraue nicht der Gutmütigkeit der reichen Leute,
des reichen Mannes in diesem Fall.
Ein grosses Thema, am Millionär schon voll entfaltet:
die Verwandlung eines Charakters zwischen Rausch und
Nüchternheit. Siehe Brecht: Puntila und sein
Knecht Matti.
Die Stadt.
Der Selbstmord.
Der Alkohol.
Der Reichtum. Die Armut.
Das Auto.
Spaghetti essen, Fasnachtsschlangen: Charlie frisst beide.
Leert ihm Flasche in Hose. Mein Freund. Umarmung.
Wer ist dieser Mann? Polizei. Schon am Flussufer. Beim
Überfall wieder, wo der beschenkte Charlie des
Diebstahls verdächtigt wird.
„Kannst du jetzt sehen?“
Sie nickt. Sie sieht ihn. Er ist nicht der reiche Mann, nicht der
feine Herr, sondern nur ein armer Teufel.
Sehen lernen, erkennen lernen.
Das Einfache ist in diesem Film das Grosse, und das beginnt
schon, ganz hart, beim Stoff. Die Sentimentalität eines
Groschenromans. Das arme Mädchen, das vom Prinzen träumt.
Blind. Und Charlie, tatsächlich, begegnet einem
Prinzen, einem Millionär. Und fällt darauf herein. Muss lernen
misstrauisch zu sein.
Die Realität. Das ist die zerschlissene Hose. Das ist die
angedrohte Kündigung. Das Fieber. Aber der Hinterhof. Der ist
romantisch.
Strassenkehrer. Sinnverlassene Tier-Welt. Zirkuspferde.
Elefanten. Einige einsame Akteure aus dem vorangegangenen
Film, The Circus, den Benjamin das erste Alterswerk
der Filmgeschichte genannt hat.
City Lights Clippings
Nach Promo-Tour Chaplin in St. Moritz