CHARLIE CHAPLIN in THE ADVENTURER Poster
EINMALIG 5/5
The Adventurer – Im Zuge der ersten, gegen ihn gerichteten Kampagne wird das Studio
der Lone Star–Mutual statt von Fanpost mit
Briefen überschwemmt, deren Absender
auf der Frage beharren, warum Chaplin seine
Filmarbeit nicht niederlege, um als Soldat
unter den Waffen seine Pflicht zu erfüllen. Clippings.
Fritz Hirzel, Chaplins Schatten. Bericht einer
Spurensicherung. Zürich 1982
Zu den hartnäckigsten Briefschreibern, die ihn als
Kriegsfreiwilligen sehen wollten, gehörten offenbar seine
Landsleute, aber auch Hunderte von US-Bürgern
waren darunter. Anonyme Kritzeleien, Drohbriefe folgten:
dass etwas getan werden musste, war nicht
nur Carlyle R. Robinson, dem Presseagenten, klar.
Zunächst also unterzog sich Chaplin, der ein
Rekrutierungsbüro aufsuchte, einer sanitarischen Musterung.
Und da er nur 58 Kilo wog, was unter dem in den USA
verlangten Mindestgewicht lag, wurde er untauglich geschrieben.
Kaum war er aber zu seinen Schminktöpfen
zurückgekehrt, kam es zum Frontalangriff einer mächtigen
Zeitungsorganisation. Schliesslich stimmte Chaplin
einer Presseerklärung zu, die Robinson in pathetisch-geschraubten
Formulierungen aufgesetzt hatte.
Er sei, hiess es darin, bereit einzurücken, sobald
er aufgeboten werde, „will willingly go when called“, allerdings
sei er der Meinung, seinen bescheidenen Beitrag
auch zu leisten, ohne mit dem Gewehr über der Schulter im
Schützengraben zu liegen, denn er glaube dem Land,
sei es durch seine gegenwärtige Eigenschaft in der Filmindustrie,
sei es in seinem Privatleben, mehr zu nützen, als er es
an der Front vermöchte.
Ihm gehe es einzig darum, sich voll und ganz in den
Dienst der Demokratie zu stellen. Seine Pflichten,
etwa für das Rote Kreuz, die Kriegsanleihe oder sonst im Kampf
gegen das Preussentum, habe er in keiner Hinsicht
vernachlässigt.
Und das gedenke er weiterhin zu tun, denn er sei
eine der Millionen von Einzelpersonen, „one of millions of
individuals“, die genauso bereit seien, sich der
Regierung zur Verfügung zu stellen.
Diese Presseerklärung, die im Studio der Lone Star–Mutual
ein Novum darstellte, wurde weitherum abgedruckt,
hatte aber die Konsequenz, dass Chaplin sich nun genötigt
sah, seinen Patriotismus bei jeder Gelegenheit unter
Beweis zu stellen: kein Ball, keine Galaveranstaltung des Roten
Kreuzes, die er mit Edna Purviance nicht besucht hätte.
Damit war die Frage zwar aus der Welt geschafft,
imgrunde aber nicht beantwortet worden, denn die Frage hiess:
Chaplin an die Front? „Not for me! Not for me!“ soll
er zu Milt Gross gesagt haben, nicht ohne hinzuzufügen, er
würde eher ins Gefängnis gehen, als da hineingeraten
zu wollen; eher würde er sich seine Hand abhauen lassen, als
bei einer solchen Sache mitzumachen.
Es war am Strand von Santa Monica und dessen
Umgebung, in einer recht zerklüfteten Küstenlandschaft, wo
Chaplin im July 1917 The Adventurer zu drehen
begonnen hatte, seine letzte Mutual-Komödie, die unbeschwerte
Quintessenz all dessen, was sich aus den Formeln
des Slapstick mit chaplinesker Sensibilität in der Filmgroteske
zustande bringen liess.
The Adventurer Clippings