Laughing Gas Poster: HA HA HA

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FISCHGRÜNDE 1/11


Laughing Gas – Arzthelfer Charlie macht sich

an ein Mädchen ran, das Bein gleich auf ihrem Schoss

– wie Harpo Marx später. Entschlossener

Eroberer. Mundbehandlung entgleitet auf tiefgestellten

Praxisstuhl zu intensiver Küsserei. Clippings



               Fritz Hirzel, Chaplins Schatten.

               Bericht einer Spurensicherung. Zürich 1982


Die agile, reflexhafte Figur, die Chaplin im Kostüm des

frühen Charlie vorführte, war gleichsam anästhesiert, Gefühlen

oder Empfindungen nicht zugänglich, unempfänglich

für Schmerzen wie der Zahnarztgehilfe in Laughing Gas,

Chaplins nächstem Einakter, der im Juli herauskam

und bereits den Hang zum Obszönen andeutete, den W. C. Fields

in The Dentist später voll ausspielen sollte.

      Charlie arbeitet hier als Gehilfe bei Dr. Pain. Mit Gesten,

als sei er selbst der Doktor, tritt er ins Wartezimmer, wo

bereits zwei, drei Patienten, schmerzgeplagte wohlverstanden,

sitzen, und beginnt mit einem Staubwedel das Mobiliar

zu säubern.

      In einem Nebenzimmer der Praxis bekommt er Ärger mit

dem zweiten Assistenten, einem zwergenhaften Typ, den

er kurzerhand zu Boden wirft, als er mit ihm nicht einverstanden ist,

die offene Hand ihm einfach ins Gesicht und weggedrückt;

die Unempfindlichkeit, die Gewalt. die zu Charlie gehört, ist offen,

unverhüllt, mechanisch wie ein Reflex, fern jedenfalls

von jeder Moral.

      Dr. Pain, eine rundliche, von Fritz Schade verkörperte

Gestalt, erscheint; ein erster Patient wird vorgelassen, mit Lachgas betäubt, ehe ihm der böse Zahn gezogen wird; da wacht

der Mann ganz einfach nicht mehr auf, liegt da im Stuhl, dieser

Joseph Swickard, und macht keinen Wank.

      In Dr. Pains Abwesenheit haut Charlie ihm mit dem

Holzhammer auf den Kopf und weckt ihn auf, doch kaum ist

er wach und lacht, haut er ihn wieder, damit er Ruhe

gibt! Der Doktor bekommt es mit der Angst zu tun, schickt Charlie

in die Apotheke.

      Draussen, unterwegs und vor The Sunset Pharmacy,

trifft Charlie auf Mack Swain, der einer Dame nachstellt, bei der

es sich um die Gemahlin von Dr. Pain handelt.

      Charlie kickt ihm in den Hintern, schlägt ihn vor den Bauch,

flieht endlich, rennt davon, um hinter einer Hausecke sich

zu verstecken, von wo er mit Ziegelsteinen nach dem Gegner

schleudert, dem Gegner um die Gunst der Frau Doktor,

Mack Swain, dem die Zähne wie Steine aus dem Mund fallen,

als er im Gesicht getroffen schwankend auf der Strasse

steht, und Charlie einen zweiten Ziegel wirft, einem Jungen, einem

Anderen, einem Ahnungslosen ins Gesicht, und Charlie

endlich an die Frau Doktor, die adrette, herankommt und auf sie

fällt und ihr das Kleid zerstört.

      Und sich davonmacht, zurück in die Praxis, aus der

Dr. Pain von seiner Frau nach dem Überfall sogleich nach Hause

gerufen wurde, und Charlie also allein in der Praxis

ist und eine der Patientinnen, ein hübsches Mädchen, ins

Behandlungszimmer bittet, auf dem Stuhl plaziert,

nachschaut, ehe er die Türe schliesst, nachschaut, ob auch

niemand komme, sich an sie heranmacht, das Bein ihr

auf den Schoss bettet, den Stuhl senkt und dreht, so tief, so

rundherum er kann, endlich mit der Zange sie an der

Nase fasst, ihr Gesicht auf seine Seite dreht, ihr in den Mund

schaut: einer der schlimmsten Zähne, den er je gesehen

habe, so einer der Zwischentitel, von denen es reichlich gibt

in diesem Film; immer wieder mit der Zange den Kopf

des Mädchens herumdreht, auf seine Seite zu, bis er sich ihrem,

diesem Mund endlich nähert und ihn küsst, während

draussen, im Wartezimmer, Unheil sich ankündigt, nehmen

doch die beiden Opfer seiner Treffsicherheit, seiner

Ziegelsteinwürfe, mit zahnlosen Gebissen in den Stühlen Platz,

Mack Swain vor allem, der Charlies Gesicht erkannt hat,

auf Rache sinnend, auf Tumult in der Praxis.



Laughing Gas Clippings


Chaplin At Keystone   Chaplins Schatten   weiter   zurück

 

Laughing Gas Scene, NFA

– Laughing Gas Clippings



www.fritzhirzel.com


Chaplins Schatten

Bericht einer Spurensicherung