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City Lights Clippings 296/387

Friedrich Porges, Mein Film, Wien, Österreich, Heft 274, March 1931.

Walt Disney (right) receives a Golden Globe special award

for „Bambi“ March 11, 1948 at the Roosevelt Hotel in Los Angeles –

he is shown with Rosalind Russell (left) who is named

as the best actress for her part in „Mourning Becomes Electra“

by the Hollywood Foreign Correspondents Association.

They are shown with Frederick Porges, president of the association;

Los Angeles Public Library, Herald-Examiner Collection

& Charlie flieht nach Wien.

      IN LONDON – Charlie sucht sich auf das Dach eines

Autos zu retten! IN BERLIN –  Chaplin wird zum Wagen getragen.

– und was von ihm bei seiner Ankunft in Wien übrig

sein wird!

(...) Sketch, Illustrierte Kronen Zeitung, Wien, Österreich,

March 14, 1931, front page

& Chaplin in Wien

      Die gestrige Ankunft des Filmlieblings.

      Sturm auf den Franz Josefs-Bahnhof.

(...) Sketch, Illustrierte Kronen Zeitung, Wien, Österreich,

March 17, 1931, front page


„Ich kenne ihn genau“

Editorial content.

      Friedrich Porges is editor and publisher of Mein Film.

      Curtis Melnitz works for United Artists.

      United Artists is owned partly by Charles Chaplin.

      The premiere of City LightsLichter der Großstadt  –

      in Austria is April 1, 1931 at the Sascha-Palast in Vienna.

      The film opens at the same theatre April 4, 1931.

      Sascha-Palast, Ungargasse 60/Rennweg, III. Bezirk, Wien.


Redaktioneller Inhalt. „Charlie Chaplin

      der Anwalt seines Films

      Die Hochrufe, die jetzt aus Tausenden von Kehlen Charlie

Chaplin bei seiner Ankunft in den Hauptstädten der

Welt entgegenstürmen, sind die Ouvertüre zum Erscheinen

des jüngsten Chaplin-Films, Lichter der Großstadt.

Charlie selbst ist der geschickte Dirigent, der dieses Vorspiel

allüberall zum Erklingen bringt, wohin ihn seine

Propagandareise führt.

      Gewiss – Charlie Chaplin hat es nicht nötig, für seine

Filme persönlich Vorreklame zu machen. Diesmal

jedoch begründet es ein besonderer Fall, daß Chaplin

seinem Film in persona vorauseilt, daß er sich

selbst inszeniert, bevor sein Werk vor die Augen des Publikums

gelangt. Vor die Augen! Das ist es nämlich! Denn

Charlie ist der derzeit einzige Verfechter des hundertprozentig

stummen Films.“ (...)

      „In Wien wünschte er ausdrücklich, außer mit Direktor

Melnitz, der ihm seit vielen Jahren befreundet ist,

nur noch mit zwei Männern Fühlung zu bekommen: mit einem

jungen Prinzen Liechtenstein (dem Neffen des

regierenden Fürsten), der in Amerika sein Gast gewesen,

und mit Arnold Höllriegl (Dr. R. A. Bermann), dem

geistreichen Globetrotter. Dann ist er trotzdem mit Bekannten

zusammengetroffen: mit Oskar Straus, Alexander

Moissi, Irene Palasthy. Und hat neue Freundschaften

geschlossen, so mit der ,jüngsten Filmkollegin‘

Hansi Niese. Und verbrachte gemütliche und amüsante

Tage und – Nächte in Wien: Er tanzte unermüdlich

Tango in den Bars und ging nie vor vier Uhr früh zu Bett.

      Bloß das Wiener Klima sagte ihm nicht zu.

Im Vergleich zu der Temperatur Hollywoods schien ihm

die Wiens zu kühl. Und so fuhr er nach dreitägigem Aufenthalt

Mittwoch nach dem sonnigen Venedig!

      Ist die Wiener Luft auch kühl – die Begeisterung der

Wiener für Chaplin war sehr warm. Und wäre Charlie

länger in den Mauern Wiens verblieben, so wäre er dessen

inne geworden, wie viele Menschen es hier gibt, die

Charlie, die Filmfigur, und Chaplin, den Künstler, mit heißem

Herzen lieben!                                               F. Porges.“

      –––

      „Mitten im Chaplin-Rummel

      Ein Gespräch mit Charlies Freund,

      Direktor Curtis Melnitz

      Charlie Chaplins Freund zu sein, das stellt sich die

ganze Welt gewiß als das Allerfeinste und Beneidenswerteste

vor, das man auf dem Gebiet menschlicher Beziehungen

heute überhaupt erreichen kann.“ (...)

      „Mr. Melnitz, der bekanntlich nicht nur Charlies Freund,

sondern als jahrelanger europäischer Repräsentant

der United Artists und Direktor der Terra-Film-A.-G. einer

der bedeutendsten und einflußreichsten Lenker der

deutschen Filmgeschicke ist, sitzt mir nach vierzehn Tagen

Chaplin-Rummel als gebrochener Mann gegenüber.

Seine Vitalität, seine Liebenswürdigkeit und sein Humor waren

in Filmkreisen international bekannt – nun muß er

mühsam einige Restbestände davon zusammensuchen,

um meine Bitte nach einem Interview erfüllen

zu können.

      Es ist übrigens nicht uninteressant, den Schauplatz dieses Gesprächs zu erwähnen. Wir sitzen im ersten Stock

des marmornen Hotelpalastes, in der Plauderecke, die direkt

den drei weißlackierten Türen zu Charlies Fürsten-

appartments gegenüberliegt. Einmal öffnet sich eine der

Türen, aber es ist bloß Mr. Kono, der japanische

Diener Chaplins, der mit leisen Schritten und diskret

verschloßenem Gesicht vorüberhuscht und in

der benachbarten Türe verschwindet. Der leise Singsang

jedoch, der aus diesem Zimmer dringt, ist ein

ausgesprochenes Erlebnis. Denn es ist kein anderer als

Charlie, der seine Morgentoilette mit vergnügtem

Summen begleitet.

      Mr. Melnitz erzählt indes mit einer hörbar angestrengten

Stimme. Es ist auch wirklich kein Wunder, wenn er

leiser ist, hat er doch sämtliche Begrüßungsreden, Ansprachen

und Toaste, die seit seinem Aufenthalt auf deutschem

Boden an Charlie Chaplin gehalten wurden, ins Englische

übersetzt. Und ebenso die Antworten Charlies ins

Deutsche. Er ist auch der schützende Damm, an dem sich all

die entfesselten Stürme und allzu heftig brandenden

Wogen der Begeisterung gebrochen haben, kein Wunder,

daß er nun bereits ein wenig ins Wanken zu kommen

droht.

      ,Ich kenne Charlie seit vielen Jahren‘, sagt Mr. Melnitz.

,Ich arbeitete mit ihm in Hollywood. Er ist der

einzigartigste, genialste und beste Mensch, den ich kenne.

Man muss ihn einfach bwundern und lieb haben.‘

      Einmal reiste ich dann für Chaplin und die United Artists

nach Europa, um hier den Filmvertrieb zu organisieren.

Aus dem ,vorübergehenden Aufenthalt‘ wurden sechs Jahre.

Während all dieser Zeit hatte ich Charlie nicht

wiedergesehen, kein Wunder, daß ich über seinen Besuch

die größte Freude hatte. Ich liess alle meine Berliner

Angelegenheiten im Stich und widmete mich ausschließlich

ihm. Ich habe mich seinetwegen mit Gott und der

Welt verfeindet, denn ich konnte ihm unmöglich all die tausend

Bitten und Wünsche, um deren Vermittlung man

mich ersuchte, interpretieren. Charlie wäre physisch einfach außerstande gewesen, auch nur den zehnten Teil

dieser Dinge zu erledigen. Ich kenne ihn genau und weiß,

wieviel man ihm zumuten darf und was über seine

Kräfte geht. Er ist eine überaus sensible Natur, ein großes

Kind und muß entsprechend geschont werden.

Diese Reise stellt ohnedies übermenschliche Anforderungen

an seine Kraft und Selbstüberwindung. Er liebt

die Menschen, aber er hat eine grenzenlose Scheu davor,

der Mittelpunkt von Massenansammlungen und

Begeisterungsexzessen zu sein.

      Ein Fernstehender kann es sich auch kaum vorstellen,

wie ermüdend und verwirrend es auf die Dauer

ist, diese Tausenden von fremden Gesichtern an sich

vorüberziehen zu sehen, unzählige Hände zu

schütteln, von einer unverständlichen Sprache umschwirrt

zu werden, sich hundertmal am Tage photographieren

zu lassen und keinen Augenblick unbeobachtet zu sein. Dabei

empfindet Charlie natürlich dankbar, wie gut es gemeint

ist und besonders die wienerische Art von Sympathiekundgebungen

findet er außerordentlich anmutig und scharmant. Nur

daß ihn das allzu lebhafte Interesse des Publikums daran

hindert, sich die verschiedenen Städte, die er besucht,

wirklich anzusehen, weil er selbst unausgesetzt ein Objekt

staunender Betrachtung bildet, ist natürlich sehr

bedauerlich.

      In Wien haben es ihm die schönen, historischen Bauten

und die alten Häuser und Höfe besonders angetan.

Er hätte sie so gerne eingehender studiert.  Aber es bildete

sich immer gleich ein Ring von Neugierigen, der uns

zu schnellem Weitergehen zwang. Auch ein Praterbesuch,

auf den sich Chaplin besonders gefreut hatte, wurde

auf diese Weise gestört. Die Nachricht, daß Charlie Chaplin

da sei, verbreitete sich in der Budenstadt wie ein

Lauffeuer und mit der geplanten Beobachtung des unbefangenen

Pratergetriebes war es vorbei. Wir flüchteten auf das

Riesenrad, in dessen Waggon, zwischen Himmel und Erde,

wir endlich einen Augenblick allein waren.

      Zu ernsthaften, ungestörten Gesprächen kam es fast nie,

weil eine Konzentration einfach nicht möglich war.

Höchstens um drei Uhr morgens, wenn die gesellschaftlichen

Verpflichtungen erledigt waren, fanden wir endlich

die Muße, ein wenig zu plaudern.“ (...)

      Friedrich Porges ist Redaktor und Herausgeber von Mein Film.

      Curtis Melnitz arbeitet für United Artists.

      United Artists gehört teilweise Charles Chaplin.

      Die österreichische Premiere von City LightsLichter

      der Großstadt – findet im Sascha-Palast in Wien am 1. April

      1931 statt. Der Film läuft am 4. April 1931 im selben

      Kinotheater an.

      Sascha-Palast, Ungargasse 60/Rennweg, III. Bezirk, Wien.


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Chaplins Schatten

Bericht einer Spurensicherung