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City Lights Clippings 347/387

Viktor Zwicky, Tages Anzeiger, Zürich, Schweiz, April 8, 1931.

Lichtpalast, Cinéma Forum Variété, exterior by day, Zürich,

late 1920s, forumzh.ch, detail

& Forum, exterior by day, marquee Erstaufführungen

(...), Zürich, late 1920s, forumzh.ch, detail

& Forum, Licht-Palast Cinéma Variété, Festschrift zur Eröffnung, Zürich, Dec. 31, 1928

& „Ich halte doch ‘s Chino für die fabelhafteste Sache der Welt.“

      „Aber du gehst ja sonst nie hin!“

      „Aber meine Frau zweimal die Woche.“

(...) Charlie Chaplin Cartoon by Lindi,

Nebelspalter, Rorschach, Schweiz, April 24, 1931.

      Lindi, Albert Lindegger.


„Selbstmord-Wasserpantomime“

Editorial Content.

      City Lights – Lichter der Großstadt – opens in Switzerland

      April 7, 1931 in Zürich at the theatres Bellevue and Forum.    

      Cinéma Bellevue, Limmatquai 1/Bellevueplatz, Zürich.

      Cinéma Forum, Badenerstrasse 120/Langstrasse, Zürich.


Redaktioneller Inhalt. „Chaplins neuer Film:

      ,Lichter der Großstadt‘

      Charlie Chaplin hat in den letzten Wochen unter ungeheurem

Jubel (unleserlich) London, Berlin, Paris (unleserlich)

besucht, d. h. gerade zu der Zeit, in der sein neuer Film in den

europäischen Großstädten die Premiere erlebte. Leider

hat Chaplin auf seiner Europareise den Weg in die Schweiz

(unleserlich) nicht gefunden, obgleich er (unleserlich)

wie er auf eine telegraphische Anfrage mitteilte, mit (unleserlich)

einer Schweizerreise gerechnet hat.“ (...)

      „Chaplins neuer Film ist nun auch in Zürich angekommen;

er ist der Presse in einer Nachtvorstellung gezeigt

worden, weil man fand, so ein Ereignis dürfe nicht ungebührlich

begangen werden. – Dem Film selbst sind als tönende

Herolde extravagante Pressenachrichten aus London, Berlin

und Paris vorausgegangen, in denen gesagt wurde,

daß Chaplin mehr gefeiert worden ist, als ein König in seinem

kleinen begrenzten Reich: er wurde gefeiert als der

König des unbegrenzten Reiches, welches Film heißt.“ (...)

      „Chaplin nennt seinen neuen Film auf dem

Eingangstableau ,Pantomimische Lustspiel-Romanze‘;

ein neuartiger Begriff.

      Nach der Denkmalseinweihung, deren spitzbübischer

Humor köstlich erheitert, indem nebenbei auch

Charlots Unaussprechliche vom steinernen Schwert des

Denkmalhelden geschlitzt werden, watschelt der

größte Pantomime dieser Welt mit seiner Standardausrüstung

dem Quai entlang und findet einen Mann, im Begriffe,

sich in den Fluß zu stürzen. Nun setzt die Pantomime und die

Lustspielromanze ein. Bald fliegt der Selbstmörder, bald

Charlot ins Wasser, wo sie sich tummeln wie die beiden Fischotter

im Zürcher Zoo. Man wird toben vor Lachen.“ (...)

      „Dann kommt die Kernszene, das heisst, nein,

genau gesagt, kommt sie vor dieser Selbstmord-Wasserpantomime;

aber sie kehrt immer wieder, immer von der gleichen,

gewollt patschigen Melodie des ,Veilchenmädchens‘ begleitet.

Die Kunstverständigen beider Hemisphären werden

erklären: das muss so sein, es gehört zu Charlot, zu seinem Watschelschritt, seinem abgesägten Frack, seinen

Schlurfschuhen, seinem Rohrstöcklein.“ (...)

     „Das schöne, blonde, ondulierte Blumenmädchen, dem

Chaplin Geld gebracht, läßt sich operieren und wird

sehend. Sie gewahrt, der Held an ihrer Seite, der Richard

Löwenherz, ist nur ein kleiner dummer Trottel mit

einem goldenen Herzen und einem leeren Geldbeutel. Wäre

es doch umgekehrt, ein goldener Beutel, ja dann! – – –

Doch diese boshafte Frage bleibt offen; es heißt, man habe

für die Schweiz den Film am Ende geschnitten;

nicht wie im Zirkus watschelt der Held entsagend in die Ferne,

seinen Traum vom Glück und weichen Frauenarmen

einem anddern überlassend, ein Ahasver, der ohne Ruhe die

Welt durchstreifen müsste. Weshaln, liebe Freunde,

weshalb hat man diese einzig richtige, diese Originallösung

dem Flm geraubt? Und weshalb, um etwas anderes

anzudeuten, hat man jene Stelle geschnitten, ausgeschieden,

wo Charlot als Straßenkehrer den Unrat unserer lieben

Tiere fortschafft? Soviel ich weiß, ist der riechende Film noch

nicht erfunden, eine Gefahr für die Zuschauer mithin

nicht möglich,

      Resümee: Charlot hat in drei Jahren unter sehr großen

innern und äußern Kämpfen, in unsteten Zeiten,

umgeben von einem Brodem übelwollender Geister, einen –

an seinen besten Filmen gemessen – mittelmäßigen

Film geschaffen, aus dem das eine, trotz der (unleserlich)

und nicht ganz gelungenen Gegenwehr gegen den

Tonfilm, klar und unwiderleglich hervorgeht: Chaplin ist der

größte Pantomime der Leinwand, der Freund des

Volkes, der Prediger aller Armen, die Verkörperung des

Dulders, der sein Kreuz auf sich nimmt. Irgendwer

hat einmal die Frage aufgeworfen, weshalb Chaplin nicht

Christusdarsteller werde. Man könnte keine Frage

stellen, die zentraler in das philosophische Problem ,Charlie

Chaplin‘ träfe.

      Der Film läuft ab Freitag in den Theatern ,Bellevue‘

und ,Forum.‘                                                   Zy.“

                                                                       Zy. ist Viktor Zwicky.

      „Pantomimische Lustspiel-Romanze“: Originaltitel

      A Comedy Romance In Pantomime.

      Ahasver, ruhelos umherirrender Mensch.

      Brodem, üblen Geruch ausströmender Dunst oder Dampf.

      In der Schweiz läuft City Lights – Lichter der Großstadt

      am 7. April 1931 in den Kinos Bellevue und Forum in Zürich an.

      Cinéma Bellevue, Limmatquai 1/Bellevueplatz, Zürich.

      Cinéma Forum, Badenerstrasse 120/Langstrasse, Zürich.


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Chaplins Schatten

Bericht einer Spurensicherung