Rex Theatre, Salt Lake City (Motography, Dec. 16, 1916)
MAUSKLICK 6/9
The Pawnshop – Sechste Mutualkomödie.
Einziges Dekor, die Pfandleihe. Chaplin, der Gehilfe.
Henry Bergman, der Pfandleiher. Edna Purviance,
dessen Tochter. Albert Austin, der Kunde, der einen
Wecker versetzen will. Clippings.
Fritz Hirzel, Chaplins Schatten.
Bericht einer Spurensicherung. Zürich 1982
Wie früher schon, als er sich bei The Floorwalker ein
Kaufhaus oder bei The Bank eine Bank vorgenommen hatte,
konzentrierte sich Chaplin auch bei The Pawnshop,
seinem sechsten Zweiakter für Mutual, erneut auf ein einziges
Dekor, indem er seine Komik in einer Pfandleihe anlegte,
erstmals in einem Film mit Henry Bergman, der als beleibter
Inhaber des Ladens sein Debüt bei Chaplin gab.
Ihm, dem gestrengen Patron, tritt Charlie in The Pawnshop
als Angestellter entgegen, der zu spät zur Arbeit
erscheint und, um eine bessere Ausrede verlegen, seine Uhr
mit dem Wandkalender vergleicht.
Im Trödel des Hinterzimmers verstaut er in ausgetüftelter Weise
Hut und Verston, lässt den Stock in der Öffnung eines
Blasinstrumentes verschwinden und beginnt ebenso eifrig wie
unnütz beim Saubermachen herumzufummeln, nur um
zuletzt dem Ventilator ins Gehege zu kommen, der die Federn
seines Staubwedels im ganzen Raum nur so herumwirbelt.
Sein jüdischer Boss, der Pfandleiher, beschäftigt noch einen
zweiten Angestellten, aber mit diesem Kollegen liegt
Charlie in einer Dauerfehde. In die Bockleiter eingespannt
schleppt er ihn mit sich hinaus vor den Laden, wo er
den wehrlos Eingekeilten mit einer Ladung von Prügeln und
Hieben eindeckt.
Erst, als ein Polizist hinzutritt, lässt Charlie von seinem Opfer
ab, um die aggressive Absicht sogleich zu einem
tänzelnden Gehabe zu verwedeln. Endlich stellt er sich auf seine
Leiter und beginnt die Glaskugeln über der Ladentür
einer gründlichen Reinigung zu unterziehen.
Es dauert gar nicht lange, da schwankt er auf der Leiter
reitend mit schwingenden Armen gefährlich über dem Kopf des
Kollegen hin und her und landet im schwindenden
Gleichgewicht zuletzt mit einem Sturz auf dem Bürgersteig.
Und wahrhaftig, als sei nichts gewesen, ist seine erste Sorge
die, ob seine Uhr auch unversehrt geblieben ist. Gerade
noch gelangt er mit der geschulterten Leiter um sich schlagend
in den Laden zurück, um hinter dem Rücken des erbosten
Polizisten, der selbst eins abbekommen hatte,
den Rest des Putzmaterials in Sicherheit zu bringen.
Drinnen hört die Balgerei mit dem zweiten Gehilfen erst auf,
als der bärtige Alte eintritt, der Ladenbesitzer, der
endgültig die Geduld verliert und Charlie feuert, der nun, in
rührseligster Manier, um Mitleid fleht, indem er
pantomimisch eine ganze Kinderschar heraufbeschwört.
Erst, als er gebeugt abgeht, erbarmt der Ladenbesitzer
sich, ruft ihn zurück und wird von Charlie im Freudentaumel
besprungen, umhalst und geküsst.
Und schon treibt der Wiedereingestellte sich in der Küche
herum, wo er in spinniger Verliebtheit die ganze Zeit um
die Tochter des Ladenbesitzers. Edna Purviance, herumzutanzen
scheint, der er beim Abwasch zur Hand geht, indem er Teller
zum Trocknen durch die Wringmaschine dreht, auch eine Tasse,
auch die eigenen Hände und einen Teigklumpen, mit
dem er gerade gegen den Kollegen losschmeissen will, als der Ladenbesitzer unversehens hinzutritt.
Charlie muss in den Laden, bekommt es mit Kundschaft zu tun
und lässt sich von einem alten Mann, der eindrücklich
seine Misere schildert, übers Ohr hauen. Um den Dollarschein
zu verstauen, den Charlie gerührt herausrückt, zieht der
mitleidheischende Verpfänder eines Eherings selbst ein dickes
Notenbündel aus der Tasche.
Nach einem geschleckten Ganoven, der sich für Diamanten
zu interessieren vorgibt, folgt ein jüngerer Mann mit
Hängeschnauz, Hut und schlotterndem Mantel, Albert Austin,
der einen Wecker anzubieten hat.
Unbestreitbar war dies, eine in ihrem Automatismus zur
surrealen Logik gesteigerte Zerstörungsaktion, der Höhepunkt
des Films.
The Pawnshop Clippings